Kinos, Lichtspiel- und Filmkunsttheater:

Das Kino müßte eigentlich "der Kino" heißen,
denn das Wort ist eigentlich eine Abkürzung von "der Kinematograph".

Kinos, als feste Einrichtungen in Gebäuden, gab es in Deutschland erst nach dem ersten Weltkrieg.

Die
ersten Filme, die noch als vorübergehende Kuriosität angesehen wurden, zeigten Schausteller mit tragbaren Kinematographen in bunt dekorierten Jahrmarktbuden und gelegentlich auch in Varietés, wo sie einen Teil des Programms bildeten. Eine weitere Vorführform war das, neuerdings wieder beliebte, Freilichtkino, das abends auf Dorfplätzen oder in Wirtshausgärten installiert wurde, eine Hauskapelle sorgte live für die musikalische Untermalung.

Besonders in den Großstädten, wie Berlin erlebte das Kino in den 20er Jahren, trotz der allgemein äußerst schlechten Wirtschaftslage mit der Hyperinflation, einen ungeheuren wirtschaftlichen Aufschwung, denn der Eintritt war sehr billig und so insbesondere für die unteren Schichten erschwinglich. So war z.B. oftmals der Kinosaal für die zahlreichen Dienstmädchen der damaligen Zeit der einzige Platz, wo sie sich auf unverdächtige Weise mit einem Mann treffen konnten. Es galt als besonders schick ins "Kientopp" zu gehen.

Um den Kunstanspruch dieser Häuser möglichst augenfällig zu machen, richtete man diese sogenannten "Lichtsspieltheater" weitgehend genau nach dem Vorbild echter Theater, mit Logen, Rängen usw. ein. Platzbezeichnungen, die heute noch gebräuchlich sind, obwohl sie ihre Berechtigung verloren haben. Auch die riesigen Bühnenvorhänge, die sich oftmals noch bei Beginn der Vorstellung öffnen, sind eine Folge dieses Phänomens. Filmarchitekten wie Hans Poelzig und Fritz Wilms widmeten sich speziell den neuen Ansprüchen des Mediums und es entstanden Filmpaläste wie das Orpheum in Berlin oder der Münchner Phöbus Palast mit mehr als 2 000 Sitzplätzen. Das Universum-Lichtspielhaus in Berlin ist ein weiteres Beispiel der innovativen Tendenzen in der Kinoarchitektur. Der Bau hat einen eiförmigen Grundriß und bietet den Zuschauern optimale visuelle Bedingungen. Es entstand nach Plänen von Erich Mendelsohn 1926-28.

Die
Einführung des Tonfilms 1927 brachte aber oftmals erhebliche akustische Probleme und führte in den 30er Jahren zu einem konsequenten Funktionalismus bei Kinoneubauten.

In den 50er Jahren wurde die Konkurrenz des Fernsehens für die Kinobetreiber immer mehr spürbar und viele Häuser mußten schließen. Es war allgemein vom "Kinosterben" die Rede. Um die Attraktivität dennoch zu steigern, kam es zu Experimenten der Produktionsfirmen wie z. B. den 3D-Filmen und nicht zuletzt anfang der 60er Jahre zur Entwicklung der Breitwandverfahren wie CinemaScope, Cinerama und Panavision. Dies führte wiederum dazu daß, die Gebäude sich erneut den technischen Anforderungen anpassen mußten.

In den USA florierten damals die neuartigen Autokinos, in denen eine beträchtliche Anzahl von Autos, aufgereiht vor einer riesigen gekrümmten Leinwand parkten. Mit separaten, jeden Wagen einzeln beschallenden, Lautsprechern, um wurden die Autos mit dem Ton versorgt.

Doch der immer grösser werdende Besucherrückgang Ende der 60er Jahre zwang zu Verkleinerungen der großen Häuser, Balkone wurden abgetrennt, große Säle längsgeteilt, um den verschiedensten Publikumsinteressen gerecht zu werden. Eine Folge des Kinosterbens der damaligen Zeit war auch, die meist auf Privatinitiativen zurückgehende Gründung von Filmclubs, subventionierte, kommunale Kinos und Programmkinos, die oftmals nur mit 16 mm-Projektoren ausgestattet, versuchten, ein anspruchsvolles Filmprogramm zu bieten und die, durch die Vernachlässigung der Verleiher des ambitionierten Film enstandenen Lücken der Filmversorgung, zu schließen. Mit einer Spielfrequenz von einmal täglich bis einmal wöchentlich zeigen sie seitdem Programme, die sich vor allem von den Normalkinos dadurch unterscheiden, daß sie nicht aus starren Verleihverträgen resultieren, sondern nach individuellen Kriterien zusammengestellt werden. Die offensichtliche Erfolg einiger Programmkinos hat bereits die ersten Rückwirkungen auf die kommerziellen Kinos gezeigt. Auch sie versuchen mittlerweile sich den erhöhten künstlerischen Ansprüchen des Kinopublikums bei ihren Verleihverträgen anzupasssen.

In den letzten Jahren erlebte das Kino geradezu eine Renaissance, denn vor allem beim vorwiegend jugendlichen Publikum gilt es wieder als äußerst schick ins Kinos zu gehen. Findige Unternehmer haben diesen Trend erkannt und schufen die sogenannten Multiplex-Kinos. Das erste Cineplex entstand ´79 in Toronto mit 1700 Sitzplätzen, 18 Sälen, perfekter Tonqualität und optimalen Sitzen. Riesige Freizeitzentren, wie Supermärkte in der Peripherie von Großstädten. In Deutschland wurde das erste Kinozentrum dieser Art in Essen 1991 namens Cinemaxx eröffnet. Das erste von acht weiteren des Hans-Joachim-Flebbe-Filmtheaterbetriebs der sich gegen die amerikanischen Kinoketten zu behaupten versucht. Die Besucher werden mit umfangreichen, zusätzlichen Freizeitangeboten, wie Restaurants, Bistros, Spielhallen, Fanartikel-, Getränke-, Popcorn- und Süßwarenverkauf, zum gesteigerten Erlebniswert des Films gelockt.

Der Kinomarkt wird sich in Zukunft also noch verschärfen, denn bei der Konzentration bzw. erhöhten Anziehungskraft der entstehenden Großkinos mit umfangreichem Filmangeboten, werden viele kleinere und mittlere Kinos ums Überleben hart kämpfen müssen.
  Anne M. Haasis,1995


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