18 95
  Die Lumières
Im Salon “Indien” des Pariser “Grand Café” fand am 28. Dezember 1895 von den Brüdern Louis-Jean und Auguste Lumière die erste Filmvorstellung vor zahlendem Publikum statt. Dies wird als Geburtsstunde des Kinos gehandelt. Gezeigt wurden elf Filme mit einer Durchschnittslänge von je einer Minute, so daß die gesamte Veranstaltung etwa 20 Minuten dauerte.
Louis-Jean und Auguste Lumière, die in der väterlichen Fabrik für fotografische Geräte in Lyon tätig waren, arbeiteten an der Vervollkommnung des Kinetoskops, der Erfindung von Thomas Alva Edison, die dieser bereits seit 1892 benutzte. Am 13. Februar 1895 meldeten sie ihren Kinematographen, eine Kombination von Kamera und Projektor, zum Patent an. Dieser Kinematograph ermöglichte die gleichmäßige Aufnahme und befriedigende Wiedergabe von “lebenden Bildern”.
Am 19. März 1895 drehte Louis Lumière mit dem Kinematographen den ersten Film: Er nimmt die Arbeiter beim Verlassen der Lumièreschen Fabrik auf. Hierbei benutzte er bereits den bis heute üblichen perforierten Filmstreifen, allerdings noch nicht Zelluloid, sondern aus einem beschichteten Spezialpapier. Der Streifen wird mittels eines Greifers vor das Bildfenster gezogen, dort für die Belichtung zum Stillstand gebracht und anschließend weitertransportiert. Drei Tage darauf zeigten die Brüder den Film vor der Gesellschaft zur Förderung der Nationalen Industrie und führten damit ihre Erfindung einem Fachpublikum vor. Mit der ersten Filmvorführung der Lumières vor zahlendem Publikum im Dezember begann der Siegeszug eines neuen Mediums.
Nach anfänglich nur zögerlichem Besuch strömten immer mehr Menschen in die Vorstellungen, um das Wunder der "lebenden Bilder" mit eigenen Augen kennenzulernen. Bald führten sie ihr Programm 20 Mal am Tag vor und verdienten damit 2500 Francs täglich. Ihre kurzen Filme zeigten Momentaufnahmen aus dem Alltagsleben wie z.B. die Fütterung eines Babys, die Ankunft der Teilnehmer eines Kongresses für Fotografie und Strassenszenen aus Lyon.
Besonders beeindruckt ist das Publikum von dem Kurzfilm "L´arrivée d´un train en gare de La Ciotat", die Ankunft eines Zuges im Bahnhof von La Ciotat, in dem eine Lokomotive dicht an der Kamera vorbeirast. Einige der Zuschauer sollen vor Angst sogar hinter die Sitzbänke gesprungen sein.
Die Skladanowskis
Die Brüder Max und Emil Skladanowsky gaben in Berlin am 1. November 1895, also noch vor den Brüdern Lumière im Varieté "Wintergarten" eine erste öffentliche Filmvorführung mit einem von ihnen entwickelten Apparat, dem Bioskop.
Max Skladanowsky (1863 - 1939) war eigentlich Schausteller und es bedeutete für ihn eine große finanzielle Risikobereitschaft eine solche Investion in das neue Medium Film zu wagen, aber es lohnte sich: Die Berliner strömten nur so, um die "lebenden Bilder" zu bewundern.
Da er die Filmaufnahmen, mit einer Aufnahmefrequenz von nur acht Bildern pro Sekunde gemacht hatte, mußte er die Filme auseinanderschneiden, zu zwei Streifen zusammenkleben und mit einem Doppelprojektor abwechselnd projizieren.

Er drehte viele äußerst kurze Szenen, die inhaltlich aus dem Alltag gegriffen sind, aber oft schon sehr klamaukhafte Ansätze haben. Die Brüder Skladanowsky konnten sich auf Dauer mit ihrem technisch erst unausgereiften Verfahren leider nicht durchsetzen und gerieten fast in Vergessenheit.
  Gleich zur Premiere des neuen Mediums fand auch die Tricktechnik Anwendung: Der Abriß einer Mauer wurde auch rückwärts gezeigt, so daß sie vor den staunenden Zuschauern neu entstand. Innerhalb dieses dokumentarischen Programms fiel ein kurzer Film mit Spielhandlung aus dem Rahmen: "L´arroseur arrosé" - Der begossene Begießer zeigte, wie ein Junge einen Gärtner mit einem Wasserschlauch ärgert, so daß diesem unvermutet ein Wasserstrahl ins Gesicht spritzt - die erste Filmburleske auf der Leinwand.

Nach Vorführungen des Kinematographen in ganz Europa eröffnen die Brüder Lumière im März 1897 in Paris das erste feste Kino. Die französischen Filmpioniere schickten fast einhundert Kameraleute in alle Welt, die das aktuelle Geschehen im Film festhalten und zugleich für ihren Apparat werben sollten. Im 1897 herausgegebenen Katalog der Lumières sind 358 Filme aufgeführt, neben Landschafts- und Städteaufnahmen auch Dokumentationen politischer und militärischer Ereignisse. Diese Filme gaben – auch wenn die teilweise nachgestellt sind, dem Zuschauer das Gefühl, die großen Augenblicke der Weltgeschichte als Augenzeuge mitzuerleben.