Rückblick:

Seit Jahrhunderten suchten Forscher und Erfinder nach Möglichkeiten, Bewegungen aufzunehmen und auch als solche wiederzugeben. Erst die Entdeckung, daß menschliches Auge und Gehirn in der Lage sind, eine schnelle Abfolge von stehenden Bewegungsphasen zusammenhängend wahrzunehmen, machte die Realisierung dieses Wunsches möglich.
Verschiedene technische Entwicklungen aus den vergangenen Jahrhunderten fliessen in die Erfindung des Films ein und bilden so die Voraussetzungen für das neue Medium:
Mitte des 17. Jahrhunderts erfand der österreichische Jesuit Athanasius Kircher die Laterna magica, die ein durch Kerzenschein erleuchtetes Bild durch eine Linse vergrößert an die Wand projizierte. Ungefähr gleichzeitig, aber unabhängig voneinander entwickelten der Belgier Joseph Plateau und der Österreicher Simon Stampfer 1832/33 das Lebensrad, das beim Betrachter den Eindruck bewegter Bilder erzeugte. Dabei wurde eine rotierende, mit einer Kurbel zu drehende Scheibe, die mit Bildern einzelner Bewegungsphasen bemalt war, durch ebenfalls rotierende Sehschlitze angeschaut. Für den Betrachter schien sich nicht die Scheibe, es schienen sich die Figuren zu bewegen. Eine Kombination von Laterna magica und verbessertem Lebensrad gelang dem österreichischen Ingenieur Franz von Uchatius um 1845.

Die Franzosen Joseph Nicéphore Niepce und Jacques Daguerre sowie der Engländer William Talbot entwickelten bis 1839 die Fotografie.

 
Die stehenden Abbilder der Wirklichkeit in Bewegung zu bringen gelang nur schrittweise: 1878 nahm der Engländer Eadweard Muybridge erstmals Reihenfotos von einem Pferd in Bewegung auf. Ähnliche Studien der Bewegung führte auch der deutsche Erfinder Ottomar Anschütz durch.
Während Muybridge das sogenannte Zoopraxiskop als Projektionsgerät entwickelte, führte Anschütz seine Fotos mit dem Schnellseher, einem Guckkasten mit rotierender Bildtrommel, vor. Der Franzose Etienne-Jules Marey kam bei seinen Experimenten mit Reihenfotografien dem Film am nächsten, da er seit 1888 nicht eine feststehende Filmplatte, sondern einen am Objektiv vorbeigeführten Filmstreifen verwendete, den er bis zu 60 mal pro Sekunde belichtete. An seine Entwicklung knüpfte der Amerikaner Thomas Alva Edison an.

Edison war es, der die ersten brauchbaren Aufnahme- und Betrachtungsgeräte für "lebende Bilder" entwickelte. Zusammen mit seinem Mitarbeiter W. K. Laurie Dickson verwendete er perforierte Zelluloidfilme, die ruckweise über ein Zahnrad am Objektiv vorbeigeführt und dabei belichtet wurden. Für die Wiedergabe benutzte Edison ab 1892 das Kinetoskop, einen Guckkasten, in dem jeweils eine Person über eine Linse die mit einer Kurbel – später mit Elektromotor – daran vorbeigeführten Bilder betrachten konnte.

Die Brüder Lumières betraten also kein Neuland mit ihrem Filmgerät. Die einzige echte Neuerung die sie einführten, ist das System von Greifzähnen zum Transport des Films.
Dennoch gelten sie als die "Väter" des Films, da sie sich nicht zuletzt dank ihrer finanzieller Möglichkeiten, gegenüber der Konkurrenz dauerhaft durchsetzen konnten. Ihr Kinematograph war zudem technisch so ausgereift, daß er bereits sämtliche erst später aufgestellten Kriterien für das neue Medium erfüllte:
- Sie benutzten perforierte Filmstreifen
- Durch die Bildfrequenz von 16 Bildern pro Sekunde hatten sowohl Aufnahme als auch Wiedergabe eine gute Qualität
- Jedes Bild steht bei der Aufnahme für die Belichtung und bei der Wiedergabe für die Projektion kurzzeitig völlig still und wird während der Transportphase verdunkelt.
Anne M. Haasis